12. November 2009


Sehen, was man nicht sieht

Vernissage mit Bildkompositionen von Ruedi Haller

 

Das Büecheler-Hus wagt ein spannendes Experiment: In der von Warmtönen dominierten Galerie zeigt Ruedi Haller seine abstrakten, kühlen Werke. Der Anzeiger traf den Künstler beim Einrichten der Ausstellung.

Porträt Ruedi Haller im Anzeiger Kloten onlineDer Kontrast könnte nicht grösser sein: Im rustikalen, von Beigetönen und Holz geprägten Ambiente der Galerie Büecheler-Hus ist Ruedi Haller damit beschäftigt, seine modernen abstrakten Werke aufzuhängen. Am Anfang habe er Bedenken gehabt, ob seine grossflächigen Bildkompositionen, die oft eine düstere Stimmung ausstrahlen, in den Raum passen, erzählt der 56-Jährige.

 

Sein Blick bleibt auf einem Werk haften, das von Grautönen und viel Schwarz in unterschiedlichen Schattierungen dominiert wird. Aus dem Dunkeln sticht links unten eine kleine violette Fläche hervor. Erst bei genauer Betrachtung erkennt man, dass es sich hierbei um eine unscharfe Fotografie handelt. Nach einer weiteren Weile gibt sie die Strukturen preis, die sich in ihr verbergen: ein Gewirr aus Stahlträgern und Gerüsten, beinahe bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Fasziniert bleibt der Blick darauf haften und versucht, das Wirrwarr zu durchdringen.

 

Kein Interesse an der Realität

Die Wiedergabe der Realität in seinen Bildern hat Haller noch nie interessiert. «Im Gegensatz zu anderen Fotografen bin ich nicht auf der Suche nach scharfen Fotos, sondern verfremde die Bilder – in der Regel mit dem Computer. Ausserdem bemale ich meine Werke mit verschiedenen Farben», erläutert der in Winkel wohnhafte Künstler. Spannend ist für Haller nicht, was man auf einem Bild sieht, sondern was man nicht sieht. Die Fantasie des Betrachters soll angeregt werden, wenn er die schemenhaften Darstellungen seiner Werke betrachtet.

 

Auch wenn Haller seine Fotografien gerne mit abstrakten farbigen Flächen umgibt: Seine Farbgebung unterliegt strengen Prinzipien. Neben den Schwarz- und Grautönen lässt er pro Bild nur wenige intensive Farben zu. Auf diese Weise versucht er, jedem seine Werke eine eigene Stimmung zu verleihen. Das Bild mit einer verfremdeten Aufnahme von Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger beispielsweise ist weitgehend in Blau gehalten, während Hallers Bildkomposition «rostig» mit Gelb- und Orange-Schattierungen besticht.

 

Trotz der verschiedenen Farbtonalitäten seiner Bilder ist Haller stets auf den roten Faden in seinem Schaffen bedacht. Er findet sich beim ihm im Format: «Alle meine Werke sind quadratisch», erklärt er. «Jedes Bild besteht zudem aus weiteren vier Quadraten. Ausserdem sind alle Bilder gleich gross – entweder einen Meter lang und einen Meter breit oder 60 auf 60 Zentimeter», erklärt er das Konzept.

 

Gerne hätte er mehr Zeit, sich seinem Konzept, ja seiner Kunst überhaupt zu widmen. Bisher kann der gelernte Reprofotograf, der mit der «Art & Media Haller» eine eigene kleine Firma besitzt, allerdings noch nicht vom Verkauf seiner Werke leben.

 

Aufbruch ins Dreidimensionale

Dabei gibt es so vieles, das er gerne ausprobieren möchte: «Meine nächste Ausstellung soll dreidimensionale Werke enthalten. Ich arbeite gerne mit Reliefs», erklärt er. Hallers Werke besitzen einen nüchternen, industriellen Charme. Es wundert nicht, dass die erste Ausstellung des Künstlers in der alten Giesserei in Bülach stattfand: Damals, vor sechs Jahren, waren die Gerätschaften soeben aus dem Betrieb entfernt worden. An den Wänden haftete der Russ. «Eine unglaublich faszinierende Umgebung! Es war aufregend, meine Werke in dem Rahmen zu zeigen», erinnert sich Haller. Im Gespräch mit dem Künstler wird deutlich, dass leere, kalte Hallen und einsame, verfallene Fabrikareale eine grosse Faszination auf ihn ausüben.

 

Diese Industrieromantik kann das Klotener Büecheler-Hus natürlich nicht bieten. Doch nach anfänglicher Skepsis hat Haller das Konzept für die Anordnung seiner Werke im Raum gefunden. Die gegensätzlichen Welten, die nun aufeinanderprallen, funktionieren: Die Bilder verfehlen ihre Sogwirkung auch in diesem Rahmen nicht.

 

Leo Niessner

 

Büecheler-Hus, Dorfstrasse 47. Vernissage: Donnerstag, 12. November, 19 bis 21 Uhr. Weitere Öffnungszeiten: Samstag, 14. November, 13 bis 17 Uhr, Sonntag, 15. November, 13 bis 17 Uhr, Freitag, 20. November, 17 bis 19 Uhr.

 

www.ruedihaller.ch